Adipositas bei Kindern und Jugendlichen
Die Prävalenz von Adipositas im Kindes- und Jugendalter hat sich auf einem alarmierend hohen Niveau stabilisiert: Sechs bis acht Prozent aller Kinder in Österreich sind betroffen. Johann Hattinger erklärt: „Adipositas ist keine Frage von Disziplin, sondern das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels genetischer, körperlicher, psychischer und gesellschaftlicher Faktoren.“ Von orthopädischen Problemen über Stoffwechselerkrankungen bis hin zu Depressionen – die Folgen der Erkrankung sind vielfältig und schwerwiegend.
Prävention: Die ersten 1.000 Tage sind entscheidend
Die Weichen für ein gesundes Gewicht werden früh gestellt. „Die ersten 1.000 Tage im Leben eines Kindes sind entscheidend, um die Entwicklung von Übergewicht zu verhindern“, so Hattinger. Regelmäßige Familienmahlzeiten mit wenig verarbeiteten Lebensmitteln, ausreichend Schlaf und Bewegung seien bewährte Ansätze, um einer unverhältnismäßigen Gewichtszunahme vorzubeugen. Auch gesellschaftliche Normen und Medien spielen eine Rolle. „Das krankmachende Schlankheitsideal und der Einfluss sozialer Medien fördern ein negatives Körperbild, selbst bei Kindern. Die Body-Positivity-Bewegung konnte daran bisher wenig ändern“, so Hattinger.
Therapie: Ein Familienprojekt
Die Diagnose macht eine ganzheitliche Behandlung notwendig. „Dabei wird die Therapie zum Familienprojekt“, betont der Psychologe. „Adipositas entsteht oft im familiären Kontext, in dem übergewichtsförderndes Ess- und Bewegungsverhalten unbewusst über Jahre und Generationen reproduziert wird. In manchen Fällen ist gesundes Essen nicht leistbar oder es fehlt an Zeit und Wissen, frische Lebensmittel schmackhaft zuzubereiten. Daher ist es zentral, alle Beteiligten einzubeziehen.“ Bewegungsprogramme, Ernährungsumstellungen und psychologische Begleitung seien unverzichtbare Bestandteile der Behandlung, die meist auf einer multimodalen Strategie basiert. „Kognitiven Verhaltenstherapie mit Fokus auf Problemlösekompetenz, Emotionsregulation, Umgang mit Essanfällen, Einkaufstraining, Alternativen zu Essen aus Langeweile oder Stressreduktion kann Abhilfe schaffen.“ Ein weiterer Schlüssel zum Erfolg ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Behandlung, wie sie am Department für Psychosomatik für Säuglinge, Kinder und Jugendliche in Grieskirchen gelebt wird: „Kein Fachbereich kann ein solch komplexes Thema allein bewältigen. Psychologie, Pädiatrie, Pflege, Diätologie, Physiotherapie, Sozialpädagogik und Klinische Sozialarbeit müssen eng kooperieren, um nachhaltige Veränderungen zu ermöglichen.“
Herausforderung adipogene Umwelt
Die langfristige Begleitung adipöser Kinder und Jugendlicher bleibt eine Herausforderung. „Compliance-Probleme entstehen häufig durch unsere adipogene Umwelt. Ständig verfügbare, energiedichte Lebensmittel – wie etwa Energydrinks – und ein überwiegend sitzender Lebensstil untergraben viele Bemühungen“, erläutert Hattinger. Zukünftige Entwicklungen in der Prävention und Behandlung sieht der Psychologe und Ernährungsexperte vor allem in innovativen Ansätzen: Medikamente wie die sogenannten Abnehmspritzen (Semaglutid, Liraglutid) und chirurgische Eingriffe, etwa Magenbypass-Operationen, könnten künftig eine stärkere Rolle spielen. Gleichzeitig sieht Hattinger Handlungsbedarf in der Forschung. „Ein vielversprechender Ansatz ist Nudging – die bewusste Förderung gesunder Entscheidungen ohne zwingende Verbote. Dabei liegt der Blick auf der Aktivierung des neuronalen Belohnungssystems und dem Training von Selbstregulationskompetenzen wie Impulskontrolle und Belohnungsaufschub. Oberste Prämisse bleibt jedoch, dass ausgewogene Lebensmittel für alle zugänglich und leistbar sind.“ Langfristig brauche es ein Umdenken auf individueller und gesellschaftlicher Ebene. „Adipositas ist eine komplexe Erkrankung mit vielen Dimensionen. Wir alle sind gefragt, eine unterstützende Umgebung zu schaffen, in der Kinder und Jugendliche gesund gedeihen und ihr volles Potenzial entfalten können“, betont Hattinger abschließend.
Das Klinikum Wels-Grieskirchen – www.klinikum-wegr.at
Das größte Ordensspital Österreichs ist eine Institution der Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Kreuz und der Franziskanerinnen von Vöcklabruck. Mit 35 medizinischen Abteilungen, 1.251 Betten und rund 4.200 Mitarbeitern leistet das Klinikum Wels-Grieskirchen umfassende medizinische Versorgung in Oberösterreich. Der Gesundheitsversorger verzeichnet rund 65.000 stationäre Entlassungen jährlich. Aufgrund seiner zahlreichen Schwerpunkte und Kompetenzzentren bündelt das Klinikum fachübergreifendes Know-how und ermöglicht interdisziplinäre Diagnosen und Behandlungen zum Wohle der Patienten.
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