Wie schwer darf die Schultasche wirklich sein?
Mehrere Hefte, Bücher, die Jausenbox und noch eine Trinkflasche – die Schultaschen sind rasch vollgepackt und bringen auch einige Kilogramm auf die Waage. Doch wie schwer darf eine Schultasche eigentlich wirklich sein? Diese Frage beschäftigt alljährlich viele Eltern. Als Faustregel gilt, dass maximal zehn bis 20 Prozent des Körpergewichts für längere Strecken und 30 Prozent des Körpergewichts für kürzere Strecken unter zehn Minuten über die Schultasche mitgetragen werden sollen. Bei einem Kind mit 35 Kilogramm wären das 3,5 bis sieben Kilogramm bzw. zehn Kilogramm. Auch für Prim. Prof. DDr. Reinhold Ortmaier, Abteilungsleiter der Orthopädie am Ordensklinikum Linz, ist dieser Richtwert „zu empfehlen“. Der Orthopäde merkt aber auch an, dass die Tragedauer inzwischen oft nur noch wenige Minuten beträgt. „Heutzutage müssen die Schüler*innen nicht mehr stundenlang zur Schule gehen. Die meisten werden mit dem Bus, der Straßenbahn oder von den Eltern fast bis zum Eingang gebracht.“ Viel entscheidender für die richtige Haltung ist laut dem Experten nicht das Gewicht, sondern die Einstellung der Schultasche. Die Schultergurte ganz lange zu lassen, mag zwar cool aussehen, ist laut Prim. Prof. DDr. Ortmaier aber alles andere als förderlich. Er sagt: „Die Schultasche sollte mit der Schulter abschließen. Die neuen Modelle sind inzwischen wahre Hightechprodukte, fast schon kleine Ferraris. Sie haben mehrere Gurte, die die perfekte Einstellung garantieren.“
Breite Schultergurte wichtig
Weiters rät der Orthopäde den Eltern beim Kauf vor allem darauf zu achten, dass die Schultergurte über eine gewisse Breite verfügen. „Dies ist deshalb so wichtig, damit sich das Gewicht nicht punktuell auf eine sehr kleine Fläche konzentriert. Zudem sollen schwere Gegenstände innen und leichtere Dinge außen in der Schultasche platziert werden, damit der gesamte Inhalt gut verteilt ist“, weiß Prim. Prof. DDr. Ortmaier. Die Eltern müssen jetzt aber nicht zwingend zu den teuersten Schultaschen im Regal greifen. Auch die etwas günstigeren Exemplare können ohne Bedenken erworben werden. Auch hier ist das Um und Auf laut dem Mediziner die richtige Einstellung der Gurte. All jenen, die sich immer noch unsicher sind, gibt der Orthopäde folgenden Rat. „Ein guter Richtwert ist, wenn die Kinder die Schultasche leicht aufheben und selbst anziehen können. Dann kann nichts schief gehen.“
„Keine wissenschaftlichen Belege für Schäden“
Sollte die Tasche aber über einen längeren Zeitraum zu vollgepackt sein, kann es zwar zu muskulären Problemen führen. Auch hier gibt der Experte jedoch Entwarnung und klärt auf. „Bevor es zu Folgeschäden kommt, stellen sich zunächst einmal Muskelverspannungen und Schmerzen ein. Es gibt keine wissenschaftlichen Belege, dass der Gebrauch einer Schultasche zu Schäden führt“, so der Primar. Dass sich durch das Gewicht die Wirbelsäule verformt, davor müssen sich Eltern nicht sorgen. So erklärt Prim. Prof. DDr. Ortmaier, dass beispielsweise bei einer Skoliose (die Wirbelsäule ist zur Seite verkrümmt und zusätzlich verdreht) Patient*innen 23 Stunden am Tag über mehrere Monate ein Korsett tragen müssen, um die Wirbelsäule zu therapieren und dadurch wieder zu formen. Um spätere Haltungsschäden zu vermeiden, ist für den Mediziner viel mehr Bewegung und Sport von großer Bedeutung. Nicht nur der Sportunterricht in der Schule ist laut Prim. Prof. DDr. Ortmaier wichtig. Auch in der Freizeit sollen die Kinder herumtoben können. Die Botschaft an die Eltern: „Die Kinder müssen raus, sollen sich bewegen und richtig austoben.“
Prim. Prof. DDr. Reinhold Ortmaier, Leiter der Abteilung Orthopädie
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Orthopädie | Ordensklinikum Linz
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