Kinder brauchen Vitamine und Vielfalt auf ihrem Teller
Die Mangelernährung zeigt sich oft erst, wenn die Gesamtentwicklung des Kindes gestört ist. So wie bei jenem Mädchen, dass mit einem Jahr bereits gehen konnte, mit 20 Monaten aber so schwer krank wurde, dass es nicht mehr auf die Beine kam, sich sprachlich nicht weiterentwickelt hat und auch das Verhalten sehr weinerlich und ängstlich wurde. „Nach ausführlicher Anamnese und umfassenden Untersuchungen zeigte sich, dass die Ernährung ab dem ersten Lebensjahr sehr einseitig wurde und das Mädchen ausschließlich Kuhmilch akzeptierte, sodass ein massiver Mangel an Eisen, Vitamin C, Folsäure und Vitamin D auftrat“, sagt Dr. in Veronika Pilshofer.
Ursache für das selektive Essverhalten war in diesem Fall eine Autismus-Spektrum-Störung, die praktisch immer auch mit einer Wahrnehmungsstörung einhergeht. „Diese Kinder reagie ren in der Regel sehr empfindlich auf Berührung, und die Sensibilitätsstörung wirkt sich auch auf das Essen aus“, sagt die Kinderärztin. Oft beginne das bereits im Säuglingsalter, wenn die erste Brei-Nahrung nicht angenommen werde. In seltenen Fällen verweigern die Kinder sogar jede Art von Essen und müssen über eine PEG-Sonde ernährt werden. Eine weitere Ursache für das wählerische Essverhalten kann ADHS sein, von dem etwa fünf bis sieben Prozent der Kinder in Österreich betroffen sind. „Nur ein sehr kleiner Teil dieser Patientinnen und Patienten leiden auch an Mangelernährung, meist weil sie keine Ausdauer beim Essen haben und vor allem zu Kohlenhydraten und Zucker greifen“, erklärt Dr.Veronika Pilshofer.
Symptome und Therapie bei Mangelernährung
Die Folgen von selektiver Ernährung können massiver Eisenmangel sein, der sich mit Müdigkeit, Blässe, Entwicklungsverzögerung und erhöhter Infektanfälligkeit zeigt. Ein extremer Vitamin-D-Mangel verursacht vor allem Muskelschwäche, Muskelkrämpfe, sowie rachitische Knochenveränderungen im Bereich der Wachstumsfugen. Schwerer Vitamin C-Mangel bedeutet Schmerzen in den Gelenken und Muskeln, blaue Flecken, Zahnfleischblutungen, rissige Lippen und erhöhte Reizbarkeit. „Die Kinder weinen oft viel und das anstrengende Verhalten aufgrund von Autismus oder ADHS wird noch verstärkt. Für die Familien ist das eine extreme Herausforderung“, sagt Dr.Pilshofer.
Bei der Therapie im Fall einer Mangelernährung werden zuerst die Vitamin-Speicher wieder aufgefüllt – wenn nötig auch intravenös. Mit Logopädie und Ergotherapie wird an der Verbesserung der Sensibilität und an der Wahrnehmung gearbeitet. Im „kokon“, der Reha für Kinder, gibt es zudem die Möglichkeit, dass Kinder mit Fütterstörung spielerisch das Essen lernen. „Mit logopädischer, psychologischer und diätologischer Betreuung wird das taktile Missempfinden verbessert, die Kinder werden trainiert, die Eltern gestärkt“, sagt Oberärztin Dr. Veronika Pilshofer. Der Reha-Aufenthalt dauert fünf Wochen.
3 Tipps für Eltern
Wenn Kinder „heikel“ sind beim Essen, ist das noch kein Grund zur Sorge. Worauf Eltern aber dennoch achten können, erklärt Oberärztin Dr.in Veronika Pilshofer:
- Für alle Kinder ist abwechslungsreiche, gesunde und vitaminreiche Kost wichtig für die Entwicklung. Schnelle Kohlenhydrate wie Zucker, Schokolade, süße Getränke können nicht nur bei Kindern mit ADHS und Autismus für mehr Gereiztheit und eine geringere Aufmerksamkeitsspanne sorgen. Aufputschende Getränke verstärken zudem die Hyperaktivität.
- Eltern sollten auf sensorisches Missempfinden achten. Säuglinge mit Wahrnehmungsstörungen unterschiedlichster Ursachen können sensibel und ablehnend auf den Beginn der Beikost reagieren. Gerade der Beginn von Mischkonsistenzen, d.h. grobbreiige Speisen oder kleine Stückchen in Brei oder Suppe können sie irritieren. Manchmal werden sie durch eine Krankheit, wie ein fieberhafter oder gastrointestinaler Infekt, in der Essgewohnheit gestört und sie akzeptieren dann nur mehr gewisse Speisen. Eine bessere Akzeptanz kann u.a. mit logopädischer Unterstützung trainiert werden.
- Eltern sollten sich an die Kinderärztin/den Kinderarzt wenden, wenn ein Kind sich nicht gut (weiter)entwickelt, sehr blass, müde, gereizt und anfällig für Infekte ist, wenn es sich einseitig ernährt und wenn sich das Beifüttern nach dem Stillen oder nach der Flascherl-Nahrung als besonders schwierig erweist.
Nähere Informationen zu den Spezial-Ambulanzen der Kinder- und Jugendheilkunde am Ordensklinikum Linz: Kinderambulanz| Ordensklinikum Linz
Rückfragehinweis für Journalist*innen:
Andrea Fürtauer-Mann
+43 664 8854 1564