Mehr Bewusstsein für MS führt zu rascherer Therapie
„Bei Multipler Sklerose spricht man auch von der Krankheit der vielen Gesichter“, erklärt Neurologe Dierk Oel, Oberarzt der Abteilung für Neurologie am Klinikum Wels‐Grieskirchen. Er ist Leiter der Multiple‐Sklerose‐Ambulanz. „Betroffen sein kann das gesamte Zentrale Nervensystem, sprich der Sehnerv, das Gehirn und das Rückenmark, entsprechend vielfältig sind auch die klinischen Manifestationen.“ Häufige Erstsymptome sind Entzündungen des Sehnervs, Sensibilitätsstörungen oder Augenbewegungsstörungen. Im weiteren Verlauf können Blasenstörungen, Lähmungserscheinungen sowie Gleichgewichts‐ und Koordinationsstörungen auftreten.
Behandlungserfolge durch Immuntherapien
Um den Körper vor schädlichen Eindringlingen und giftigen Substanzen zu schützen, verfügt der Mensch über ein ausgeklügeltes Immunsystem. Gerät es außer Balance und arbeitet es überschießend, attackiert der Körper eigenes Gewebe. Heute sind an die 100 Autoimmunerkrankungen bekannt, darunter zum Beispiel Diabetes Typ 1, Morbus Crohn oder Multiple Sklerose. „Die Therapie der Multiplen Sklerose hat in den letzten 15 Jahren einen Boom erlebt“, so Oel. „Nachdem früher eine symptomatische Behandlung im Vordergrund stand, sind inzwischen in Europa zahlreiche Immuntherapien zur Behandlung der schubförmigen MS zugelassen, sogenannte krankheitsmodifizierende Medikamente. Je nach Medikament zeigen ca. 30 bis 50 Prozent der Patienten in Behandlung über mehrere Jahre überhaupt keine Krankheitsaktivität mehr. Bisher gibt es aber nur wenige Langzeitdaten, sodass hier noch nicht von einer Heilung gesprochen werden kann.“ Voraussetzung ist ein Therapiebeginn in einem frühen Krankheitsstadium. „Solange es dem Patienten noch gut geht“, betont Oel. „Sobald eine relevante Behinderung vorliegt, ist die Wirksamkeit auf den weiteren Krankheitsverlauf geringer.“ Auch die Untergruppe der progredienten MS stellt weiterhin ein Problem dar. „Im Vergleich zur schubförmigen Erkrankung sprechen diese Patienten deutlich schlechter auf eine Immuntherapie an.“
Starkes Immunsystem gegen MS?
Studien zeigen, dass die Grundlage der Erkrankung bereits während der Reifung des Immunsystems in der Kindheit gelegt wird. Die Möglichkeiten einer Reduktion des Erkrankungsrisikos durch eine „Stärkung des Immunsystems“ im späteren Lebensalter sind nach heutigem Erkenntnisstand begrenzt. „Gesichert ist jedoch, dass sich eine Nikotinkarenz auch bei bereits bestehender Erkrankung positiv auswirkt“, erklärt der Neurologe. „Als günstig gilt eine ausgewogene Ernährung, die sogenannte Mittelmeerdiät mit regelmäßigem Fischkonsum, reduzierter Zufuhr tierischer Fette und hohem Anteil an Frischobst und Gemüse.“ Ob sich eine Vitamin‐D‐Einnahme positiv auswirkt, ist nicht eindeutig erwiesen. „Normale oder hochnormale Vitamin‐D‐Spiegel können empfohlen werden. Interessante neuere Untersuchungen weisen darauf hin, dass sich eine Sonnenexposition auch unabhängig vom Vitamin‐D‐Stoffwechsel positiv auswirken kann“, so Oel.
Schnellerer Weg zur Therapie
„In der Bevölkerung und in der Ärzteschaft gibt es heute ein erhöhtes Bewusstsein für die Erkrankung, auch die Verfügbarkeit der MRT‐Diagnostik hat sich verbessert“, erklärt der Spezialist für Multiple Sklerose. „Somit sind jahrelange Ärzteodysseen der betroffenen Patienten erfreulicherweise mittlerweile selten geworden. Die Abklärung bei Verdacht erfolgt – je nachdem, wie akut die Symptome sind – beim niedergelassenen Facharzt für Neurologie oder in einer neurologischen Klinik.“ Eine verlaufsmodifizierende Therapie darf in Österreich nur durch ein zertifiziertes MS‐ Zentrum wie dem Klinikum Wels‐Grieskirchen erfolgen.
Weiterführende Informationen:
Schlagworte: Neurologische Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose, Krankheit der 1.000 Gesichter
Das Wichtigste in Kürze: Multiple Sklerose stellt in Mitteleuropa die häufigste neurologische Autoimmunerkrankung dar. In Industrienationen wird bedingt durch verbesserte Diagnostik, aber auch durch Veränderungen der Lebensgewohnheiten eine deutliche Zunahme verzeichnet. Der Erkrankungsgipfel liegt zwischen 20 und 40 Jahren, Frauen sind häufiger betroffen. Auch Kinder über zehn und Jugendliche können erkranken. Neben den gesundheitlichen Folgen ist die Erkrankung von enormer volkswirtschaftlicher Bedeutung, da sie die häufigste Ursache einer frühzeitigen Behinderung im jungen Erwachsenenalter darstellt.
Was? Wie bei anderen Autoimmunerkrankungen ist bei MS die Immuntoleranz gestört, es kommt zur Immunantwort gegen körpereigene Strukturen. Wie diese entsteht, ist noch nicht geklärt, relevant sind sowohl das angeborene als auch das erworbene Immunsystem. T‐Lymphozyten strömen vermehrt in das Zentralnervensystem ein und richten sich gegen „Selbst‐Antigene“ (Antigene körpereigener Zellen). Dadurch werden weitere Immunkaskaden ausgelöst, was zu einem Einstrom von Makrophagen, B‐Zellen und Antikörpern führt. Unter anderem die Markscheiden der Nerven und das Nervenaxon werden dadurch geschädigt.
Warum? Bei der Entstehung der Erkrankung spielen mehrere Faktoren eine Rolle, die noch nicht restlos geklärt sind. Neben einer genetischen Prädisposition werden verschiedene Umweltfaktoren als Auslöser vermutet, zum Beispiel Vitamin‐D‐Mangel, Infektionserkrankungen in der Kindheit, insbesondere EBV‐Infektionen (Epstein‐Barr‐Virus), und Ernährungsgewohnheiten. Als wichtiger Risikofaktor wurde das Rauchen identifiziert, auch Adipositas und erhöhte Kochsalzzufuhr erhöhen das Risiko. Es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass Impfungen die Krankheit auslösen oder das Erkrankungsrisiko erhöhen.
Wie? Die Mehrzahl der Patienten zeigt anfangs einen schubförmig remittierenden Verlauf (RRMS), bei dem sich Phasen von Verschlechterung, vorübergehendem Nachlassen und Stabilität ablösen. Die zeitlichen Abstände zwischen den einzelnen Schubereignissen können erheblich schwanken. Unbehandelt gehen die meisten Patienten später in eine Krankheitsphase der sogenannten Sekundär Progredienten MS (SPMS) über. Zehn bis 15 Prozent der Patienten zeigen schon zu Krankheitsbeginn eine kontinuierliche klinische Verschlechterung (Primär Progrediente MS).
Neurologe OA Dr. Dirk Oel ist Spezialist in der Behandlung von Multipler Sklerose am zertifizierten MS‐Zentrum des Klinikum Wels‐Grieskirchen. Von der Erkrankung betroffen ist das gesamte Zentrale Nervensystem der Patienten, die Krankheitsbilder sind vielfältig.
Ein Großteil der Krankheitsfälle tritt im Alter zwischen 20 und 40 Jahren auf. Frauen sind bis zu 3,5‐mal häufiger betroffen als Männer.
„Bei Multipler Sklerose spricht man auch von der Krankheit der vielen Gesichter.“
„Betroffen sein kann das gesamte Zentrale Nervensystem, sprich der Sehnerv, das Gehirn und das Rückenmark, entsprechend vielfältig sind auch die klinischen Manifestationen.“
„Die Therapie der Multiplen Sklerose hat in den letzten 15 Jahren einen Boom erlebt.“
„Früher stand eine symptomatische Behandlung im Vordergrund, inzwischen sind in Europa zahlreiche Immuntherapien zur Behandlung der schubförmigen MS zugelassen.“
„Je nach Medikament zeigen ca. 30 bis 50 Prozente der Patienten in Behandlung über mehrere Jahre überhaupt keine Krankheitsaktivität mehr.“
„In der Bevölkerung und in der Ärzteschaft gibt es heute ein erhöhtes Bewusstsein für die Erkrankung.“
„Jahrelange Ärzteodysseen der betroffenen Patienten sind selten geworden.“
„Die Abklärung bei Verdacht erfolgt beim niedergelassenen Facharzt für Neurologie oder in einer neurologischen Klinik.“
Das Klinikum Wels‐Grieskirchen
Das größte Ordensspital Österreichs ist eine Institution der Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Kreuz und der Franziskanerinnen von Vöcklabruck. Mit 35 medizinischen Abteilungen, 1.251 Betten und rund 4.100 Mitarbeitern leistet das Klinikum Wels‐Grieskirchen umfassende medizinische Versorgung in Oberösterreich. Der Gesundheitsversorger verzeichnet rund 65.000 stationäre Entlassungen jährlich. Aufgrund seiner zahlreichen Schwerpunkte und Kompetenzzentren bündelt das Klinikum fachübergreifendes Know‐how und ermöglicht interdisziplinäre Diagnosen und Behandlungen zum Wohle der Patienten.
Pressekontakt Klinikum Wels‐Grieskirchen
Mag. Kerstin Pindeus, MSc, MBA, A‐4600 Wels, Grieskirchner Straße 42,
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