Darm oder Gehirn - wer hat eigentlich das Sagen?
Erst seit ein paar Jahren weiß man, dass die beiden Organe über die sogenannte DarmHirn-Achse in ständigem Austausch miteinander stehen. Das Verdauungssystem und das Gehirn reden miteinander und beeinflussen sich dabei wechselseitig, weshalb das DarmNervensystem auch als „Bauch-Hirn“ oder Second Brain bezeichnet wird. Interessant ist, dass die Nervenverbindungen der Darm-Gehirn-Achse zu 90 Prozent aus aufsteigenden Nervenfasern bestehen. Salopp könnte man formulieren, dass der Darm hier also mehr zu sagen hat als das Gehirn.
Sagt das Gehirn zum Darm: Ich fürchte es gibt Stress….
In Stresssituationen ist unser Gehirn über das sympathische Nervensystem in der Lage, körperliche Funktionen zur Stressbewältigung zu aktivieren. Der Körper ist in erhöhter Leistungsbereitschaft, Energiereserven werden abgebaut, Botenstoffe wie Adrenalin und Noradrenalin, aber auch Hormone wie das Cortisol werden ausgeschüttet. Damit wird die Herztätigkeit, die Muskulatur und die Atmung beeinflusst, die Pupillen erweitern sich, um die Gefahr schneller zu erkennen und das Immunsystem aktiviert im Falle einer Verletzung die Wundheilung.
Der körperliche Vorgang einer akuten Stressreaktion ist evolutionsbiologisch konserviert. Flucht oder Kampf in einer Bedrohungssituation war entscheidend, um der Gattung Mensch das Überleben zu sichern. Galt es doch schneller zu sein als der Säbelzahntiger. Chronischer Stress wie andauernde körperliche, seelische oder soziale Belastungen führen allerdings dazu, dass der Magen-Darm-Trakt unter einer anhaltenden Minderdurchblutung leidet und sich mitunter hartnäckige Beschwerden einstellen können.
Sagt der Darm zum Hirn: Das kommt ganz auf deine Stimmung an…
Etwa 95% des Stimmungshormons Serotonin werden im Darm produziert. Aber wie kommt Serotonin in das Gehirn? Hier kommt ein entscheidender Bestandteil des „Bauchhirns“ ins Spiel: Das Mikrobiom! Bakterien des Darm-Mikrobioms und Zellen der Darm-Schleimhaut sind in der Lage, Neurotransmitter wie Serotonin – unser Glückshormon im Gehirn – zu bilden. Bis vor kurzem galt die Blut-Hirn-Schranke als fast unüberwindbare Grenze zwischen Körper und Gehirn. Durch sie schützt sich das Gehirn und trifft eine Auswahl, welche Stoffe hineingelassen werden. Serotonin gehört dazu und wirkt sich direkt auf unsere Stimmung aus. Umgekehrt kann ein unglücklicher Darm - nicht nur im übertragenen Sinne - Sorgen machen und spielt auch eine maßgebliche Rolle bei Angst und Depressionen. Über die MikrobiomDarm-Hirn-Achse werden bewusste Empfindungen wie Hunger, Sättigung, Stuhldrang, Übelkeit und Schmerz beeinflusst. Sie steuert aber auch unbewusste Vorgänge wie das autonome Nervensystem, den Appetit, das Belohnungssystem sowie die emotionalen, affektiven und kognitiven Vorgänge wie Angst, Stress oder die Schmerzwahrnehmung.
Chronische Störungen der Mikrobiom-Darm-Hirn-Achse führen zu bleibenden funktionellen und strukturellen Änderungen im Gehirn und können so maßgeblich zur Entwicklung von neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen, wie z.B. Multipler Sklerose, Parkinson, Demenzen, Autismus, Depressionen und Angststörungen beitragen. Gleichzeitig führt Stress zu einer erhöhten Durchlässigkeit der Darm-Schleimhaut und entzündungsfördernde Substanzen werden ausgeschüttet, was zu einer unterschwelligen Entzündung nicht nur im Körper führt, sondern auch im Gehirn: Stress wirkt sich dann negativ auf die Stimmung und Emotionen aus.
Weiterführende Informationen zum Mikrobium
Unter Mikrobiom versteht man die Gesamtheit der – vor allem auf der Dickdarmschleimhaut – angesiedelten Mikroorganismen, bestehend aus ca. 100 Billionen Bakterien, Viren und Pilze. Das Darm-Mikrobiom ist – ähnlich dem Fingerabdruck eines Menschen – individuell unterschiedlich zusammengesetzt. Seit zehntausenden Generationen leben Menschen und Mikroorganismen in einer Symbiose.
In Studien konnte nachgewiesen werden, dass bei Menschen mit Depressionen bestimmte Bakterien-Gattungen (Coprococcus und Dialister) nicht oder vermindert vorkommen. Dies könnte in Zukunft ein neuer Therapieansatz werden in Form von Probiotika oder Stuhltransplantation.
Zu den Aufgaben des Darm-Mikrobioms zählen unter anderem:
- Immunmodulation: Eine hohe Mikroben-Dichte bzw. Mikroben-Zusammensetzung trifft auf das Darm-assoziierte lymphatische Gewebe, welches die Immunantwort des gesamten Körpers steuert.
- Kolonisationsresistenz: Zusammenspiel der Faktoren aus Darmflora und Immunsystem, das Menschen vor einer Besiedelung und dem Eindringen pathogener Keime schützt.
- Unterstützung des Stoffwechsels: z.B. Versorgung mit Vitaminen (Thiamin, Riboflavin, Pyridoxin, B12, K), Synthese essenzieller Aminosäuren.
- Unterstützung der Verdauung: z.B. Umwandlung (Fermentation) von Ballaststoffen, Transformation von Steroiden und Gallensäuren, Anregung der Darmmotilität.
- Entgiftung von Umweltchemikalien und Pharmaka.
Mikrobielle Faktoren (z.B. Vitamine, Aminosäuren und Metabolite wie kurzkettige Fettsäuren), Hormone und neuroaktive Substanzen der Darmschleimhaut (z.B. die Neurotransmitter Serotonin, Dopamin bzw. GABA [Gamma-Aminobuttersäure]), Botenstoffe des Darm-assoziierten Immunsystems (z.B. Interleukine der B-/TLymphozyten und dendritische Zellen) aber auch sensible Neurone des Nervus vagus führen über den Blutkreislauf bzw. über das parasympathische Nervengeflecht zu Veränderungen von Funktionen bestimmter Hirnregionen. Dazu zählen u.a.
- das Vorderhirn (Präfrontaler Kortex): Wesen und Verhalten, Lösen neuer Probleme anhand bereits gemachter Erfahrungen (Arbeitsgedächtnis), Planung von zukünftigen Handlungen, Handlungssteuerung, Antizipation von Handlungskonsequenzen.
- der Hypothalamus (Teil des Zwischenhirns): Wichtigstes Regulationszentrum für alle vegetativen und endokrinen Vorgänge (z.B. Atmung, Kreislauf, Körpertemperatur, Sexualverhalten, Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme).
- die Insula (Inselrinde): Sie erhält viele wichtige Informationen aus unterschiedlichen Bereichen des Körpers und steht in Verbindung mit verschiedenen Hirnsystemen (auditorisch, somatosensorisch, motorisch, limbisch, viszeromotorisch, Thalamus und Hypothalamus. Die Insula hat eine wesentliche integrative multisensorisch Funktion, wirkt als Bindeglied zwischen verschiedenen Gehirnbereichen und ist in das vegetative Nervensystem eingebunden.
Weiterführende Informationen zum Darm
Die Darmwand besteht aus vier Gewebeschichten. Die innerste Schicht ist die Darmschleimhaut (Mukosa), auf ihr sitzen schleimabsondernde Darmzotten. Dann folgt die innere Bindegewebsschicht (Submukosa). In dieser befinden sich Blut- und Lymphgefäße, viele verschiedene Immunzellen (Darm-assoziiertes lymphatisches System) und ein komplexes Nervengeflecht.
Auf die Submukosa folgt eine doppellagige Muskelschicht mit angrenzender äußerster Schicht, die Serosa. Diese ist ein glatter, spiegelnder Überzug auf der Darmaußenseite. Das Darm-Nervensystem besteht aus rund 100 – 200 Millionen Nervenzellen und bildet ein fast eigenständiges Nervengeflecht. Es reguliert sämtliche Verdauungsvorgänge, einschließlich der Durchblutung, der Darmbewegung und eines Teils des DarmImmunsystems.
Das Darm-Immunsystem bildet eine wichtige immunologische Barriere zur Außenwelt, ist aber auch ein sehr wichtiger Ort des immunologischen Lernens. Das Darm-assoziierte Immunsystem und das Darm-Nervensystem sind über die sogenannte Darm-Hirn-Achse mit dem Gehirn in ständigem Austausch. Vermittelt wird diese Kommunikation über den Parasympathikus (Nerv der Verdauung, Ruhe- oder Erholung) und verschiedene Botenstoffe aus dem Darm.
Inzwischen weiß man, dass bestimmte Stoffwechselprodukte der Darmbakterien (Metabolite) die Blut-Hirn-Schranke überwinden bzw. die Durchlässigkeit erhöhen können. Dadurch können auch pro-entzündliche Botenstoffe des Immunsystems in das Gehirn gelangen und eine entzündliche Veränderung verschiedener Hirnzellen wie Neuronen, Mikroglia, Astroglia, Oligodendroglia, Stammzellen bewirken. Man spricht dann von einer „Neuroinflammation“.
Über das Konventhospital Barmherzige Brüder Linz
Das Konventhospital Barmherzige Brüder Linz ist Teil einer der größten ordensgeführten Gesundheits- und Sozialeinrichtung der Welt. Die Standorte in Oberösterreich, darunter das Krankenhaus Barmherzige Brüder Linz, die Krankenhaus-Apotheke, die Augenoptik Barmherzige Brüder, das medizinische Laserzentrum sowie die Einrichtungen der „Lebenswelt“, sind eingebunden in innovative, kosteneffiziente Strukturen. Das Konventhospital betreut jährlich über 29.000 Patienten stationär und mehr als 115.000 ambulant.
Regional hat sich das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder auf Spitzenmedizin in ausgewählten Schwerpunktbereichen spezialisiert:
- Augenheilkunde
- Geburtshilfe
- Gefäßchirurgie
- Innere Medizin
- Neurologie
- Sinnes- und Sprachneurologie
Über den Orden der Barmherzigen Brüder:
In der Österreichischen Ordensprovinz mit Standorten in Österreich, Tschechien, Ungarn und der Slowakei betreiben die Barmherzigen Brüder gemeinsam mit fast 8.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Voll- und Teilzeitbeschäftigung an 36 Standorten zwölf Krankenhäuser sowie zahlreiche weitere Sozial- und Gesundheitseinrichtungen wie Altenund Pflegeheime, Lebenswelten für Menschen mit Behinderungen, eine Therapiestation für Drogenkranke, Hospize und Kureinrichtungen. Weltweit sind die Barmherzigen Brüder in 53 Staaten mit über 400 Einrichtungen vertreten.
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