LONG COVID?
Herr Prim. Eckmayr, was versteht man eigentlich unter Long COVID?
Josef Eckmayr: Es handelt sich üblicherweise um Beschwerden, die während oder nach einer COVID‐19‐Erkrankung auftreten und die – je nach Studie – länger als vier bis zwölf Wochen nach der Akuterkrankung anhalten. Die Symptome können nach heutigem Kenntnisstand sowohl nach schweren als auch nach milden und mittelschweren Verläufen auftreten.
Was sind die häufigsten Beschwerden nach Long COVID?
Die Beschwerden sind sehr variabel und reichen von einer geringen Befindlichkeitsstörung bis hin zu massiver Beeinträchtigung. Sie können andauernd vorhanden sein oder auch nach Besserung wieder verstärkt auftreten. Häufig sind Müdigkeit und eingeschränkte Leistungsfähigkeit, anhaltender Riech‐ bzw. Geschmacksverlust, Atemnot und Schlaflosigkeit. Weitere, jedoch seltenere Symptome sind unter anderem Brustenge, Brustschmerzen, Husten, Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen, Nervenstörungen, Kopfschmerzen, Schwitzen, Durchfall, Haarausfall, Konzentrations‐und Gedächtnisstörungen, Herzrasen, depressive Verstimmung oder Hautausschläge.
Wann ist eine Nachsorge unbedingt notwendig?
Bei Atemnot bzw. Sauerstoffmangel in Ruhe oder bei Belastung, Bluthusten, bei Verdacht auf Brustschmerzen, die mit dem Herzen zusammenhängen, sowie bei Hinweisen auf eine ausgeprägte Kreislaufinstabilität. Bei Kindern und Jugendlichen, wenn es Anzeichen auf das gefährliche Multisystem‐Entzündungssyndrom gibt, unter anderem Fieber, das zwei bis acht Wochen nach einer SARS‐CoV‐2 Infektion auftritt.
Gibt es schon Erfahrungswerte, wer von Long COVID am häufigsten betroffen ist?
Für eine fundierte Aussage gibt es noch zu wenig verlässliche und vergleichbare Daten. Jedoch dürften folgende Personengruppen ein höheres Risiko haben für eine Symptomatik haben: Personen mit sehr schwerer COVID‐Erkrankung, Personen über 50 Jahre, übergewichtige Personen sowie Personen, bei denen während der akuten Infektion mehr als fünf verschiedene Organsymptome vorhanden waren.
Vielleicht sind auch Patienten betroffen, die gar nicht von ihrer COVID‐Erkrankung wussten bzw. keine Testergebnis hatten und dennoch jetzt unter Symptomen leiden, die man Long COVID zuordnen könnte – worauf sollte man da achten?
Anhaltende Beschwerden sollten auf jeden Fall Anlass zu einer Klärung geben. Es müssen immer auch andere Erkrankungen neben COVID‐19 abgeklärt bzw. ausgeschlossen werden. Vorbestehende Grunderkrankungen könnten sich in Folge verschlechtern. Allerdings erfordert nicht jedes Symptom eine sofortige umfassende Abklärung. Nach Ausschluss eines potenziell gefährlichen Verlaufs und nach entsprechender Basisuntersuchung mit Ausschluss einer organischen Schädigung kann bei milder Symptomatik in vielen Fällen abwartend beobachtet werden.
Was passiert bei der Nachsorge?
Einerseits werden Beschwerden abgeklärt und der Verlauf beurteilt. Andererseits werden sowohl spezifische Erkrankungen als auch funktionelle Störungen behandelt. Letztere können oft langwierig verlaufen. Unter anderem werden Strategien angewendet, die eine langsame Wiederaufnahme von Alltagstätigkeiten und ‐belastungen ermöglichen sollen. Dazu erfolgt die Abschätzung der zu erwartenden Alltagsbelastung im Verhältnis zur gegebenen Leistungsfähigkeit sowohl im körperlichen Bereich als auch in Bezug auf die kognitive, mentale und emotionale Leistungsfähigkeit. Zudem wird auf die Entwicklung der Symptome geachtet und bei Bedarf eine entsprechende Unterstützung organisiert, etwa Physio‐, Ergo‐ oder Psychotherapie.
Wann besteht eine Notwendigkeit für eine Post‐COVID‐Rehabilitation?
Ab Stufe drei der fünfstufigen Einschränkung kann eine Rehabilitation sinnvoll sein und beantragt werden. Diese Stufe bedeutet, dass Symptome, Schmerzen, eine Depression oder Angstzustände vorhanden sind und dass Aufgaben bzw. Aktivitäten des Alltages oder im Beruf reduziert werden müssen. Die Indikation wird für Erwachsene mittels einer standardisierten, geprüften funktionellen COVID‐19‐Skala eingeschätzt.
Long COVID
Hier sind Sie richtig!
Hausarzt: Bei anhaltenden Beschwerden steht an erster Stelle die Untersuchung durch den Hausarzt. Dieser entscheidet in der Regel über das weitere Vorgehen.
Je nach Ergebnis können unterschiedlichste Fachärzte oder Fachambulanzen eingebunden werden.
Lungenfacharzt: Beim häufigen Symptom „Atemnot bei Belastung“ kann eine lungenfachärztliche Untersuchung notwendig werden. Nach einem schweren Verlauf sind nach beispielsweise drei Monaten ca. 40 Prozent der Erkrankten betroffen, bei leichtem Verlauf ca. zehn Prozent.
Kardiologe: Auch eine Herzbeteiligung ist nicht selten (Herzmuskelentzündung, beeinträchtigte systolische Funktion). Bei Herzvorerkrankungen findet sich oft auch eine Verschlechterung bzw. sind kardiale Komplikationen innerhalb der ersten sechs Monate nach COVID‐19 deutlich erhöht. Achtung bei Atemnot und eingeschränkter Leistungsfähigkeit, bei Brustschmerzen, Herzklopfen oder Kreislaufinstabilität.
Neurologe: Unter anderem bei postinfektiöser Müdigkeit, diversen Hirnleistungsstörungen, Schlafstörungen und Gliederschmerzen.
HNO‐Facharzt: Zum Beispiel bei Riech‐ und Schmeckstörungen, Stimm‐ und Schluckproblemen oder Hörstörungen. Bei entsprechenden Beschwerden weitere Fachärzte wie Hautfacharzt oder Psychiater aufsuchen.
Prim. Dr. Josef Eckmayr, Leiter der Abteilung für Lungenkrankheiten,
Klinikum Wels‐ Grieskirchen
Es muss nicht immer ein schwerer Verlauf einer SARS‐CoV‐2‐Infektion sein, wodurch Long‐ COVID‐Symptome ausgelöst werden. Nach aktuellem Kenntnisstand können sie auch nach milden und mittelschweren Verläufen auftreten. Halten Beschwerden nach einer COVID‐19‐Erkrankung mehrere Wochen lang an, ist eine weitere ärztliche Abklärung wichtig.
Das Klinikum Wels‐Grieskirchen
Das größte Ordensspital Österreichs ist eine Institution der Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Kreuz und der Franziskanerinnen von Vöcklabruck. Mit mehr als 30 medizinischen Abteilungen, 1.248 Betten und rund 3.950 Mitarbeitern leistet das Klinikum Wels‐ Grieskirchen umfassende medizinische Versorgung in Oberösterreich. Der Gesundheitsversorger verzeichnet rund 72.000 stationäre Entlassungen jährlich, das entspricht rund 17 Prozent der stationären Leistung Oberösterreichs. Aufgrund seiner zahlreichen Schwerpunkte und Kompetenzzentren bündelt das Klinikum fachübergreifendes Know‐how und ermöglicht interdisziplinäre Diagnosen und Behandlungen zum Wohle der Patienten.
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